BASEL, 20–1815 n. CHR.

Archäologie am St. Alban-Graben

Beim Bau des Parkings Kunstmuseum führte die Archäologische Bodenforschung Basel-Stadt von 2018 bis 2021 baubegleitende Untersuchungen durch. Die Funde ermöglichen erkenntnisreiche Einblicke in die Basler Geschichte.

Bei der Ausgrabung am St. Alban-Graben kamen die Reste von zwei römischen Brunnenschächten zum Vorschein. In römischer Zeit dienten solche Sodbrunnen – vermutlich nebst Zisternen – zur Wasserversorgung Basels. Die Sohle der beiden neu entdeckten Brunnen lag dreizehn Meter unter der heutigen Strasse. Foto: ABBS, Martin Allemann.
In einem der römischen Sodbrunnen fand man nebst Teilskeletten von Pferden und Hunden auch die Knochen von mindestens drei erwachsenen Menschen und zwei Säuglingen. Menschliche Skelette in Brunnenschächten kennt man auch von anderen römischen Fundstellen. Rätselhaft bleibt, ob es sich um besondere Bestattungen oder um eine Art «Entsorgung» von Toten handelt. Foto: ABBS, Martin Allemann.
Im selben Brunnenschacht wie die tierischen und menschlichen Skelettreste kam auch eine Lanzenspitze zum Vorschein, deren oberster Teil schon in der Antike abgebrochen war. Nachdem die beiden Brunnen ihre Funktion verloren hatten, wurden sie bereits in römischer Zeit zugeschüttet. Foto: ABBS, Philippe Saurbeck.
Ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. entwickelte sich im Gebiet zwischen Freie Strasse, Rittergasse und Dufourstrasse eine Siedlung. Sie lag an der römischen Fernstrasse, die dem Rhein entlang bis an die Nordsee führte. Scherben von Keramikgefässen, wie diese Schüssel aus Südfrankreich, bezeugen die weitlaufenden Handelskontakte in römischer Zeit. Foto: ABBS, Philippe Saurbeck.
In der Spätantike wurde der Basler Münsterhügel mit einer Befestigungsmauer umwehrt. Er diente als Standort militärischer Einheiten und zum Schutz der Zivilbevölkerung. Bei den archäologischen Untersuchungen im Vorgelände dieser Befestigung kamen 101 spätrömische Münzen zum Vorschein. Foto: ABBS, Philippe Saurbeck.
Die auf der Ausgrabung geborgenen Münzen weisen darauf hin, dass sich ausserhalb der spätrömischen Befestigung eine Vorstadt (Suburbium) befand. Die Gebäude bestanden wohl aus Holz, das sich im Lauf der Zeit im Boden zersetzt hat. Reste von Gebäuden sind deshalb nicht mehr erhalten. Foto: ABBS, Fabian Bubendorf.
Antoninian des Tetricus (271-274 n. Chr.). Foto: ABBS, Philippe Saurbeck.

Hier haben wir gegraben

St. Alban-Graben
CH-4051 Basel

Der Strassenname «St. Alban-Graben» erinnert daran, dass hier einst der Verteidigungsgraben der im frühen 13. Jahrhundert errichteten Inneren Stadtmauer lag. Der Neubau des Parkings beim Kunstmuseum führte zu tiefen Bodeneingriffen sowohl im Bereich des ehemaligen Stadtgrabens als auch in einem direkt danebengelegenen Areal, das ab der Römerzeit besiedelt war.

Bereits im Mittelalter hatte der Bau der Inneren Stadtmauer und insbesondere der Aushub des Stadtgrabens eine mächtige Schneise durch die römerzeitlichen Befunde geschlagen. Trotzdem liessen sich vor dem Kunstmuseum letzte Reste der römischen Siedlung fassen, die sich hier ab dem 1. Jahrhundert befand. Weit überraschender war die Entdeckung von zwei trocken gemauerten römischen Schächten, die unterhalb des mittelalterlichen Stadtgrabens in sieben Meter Tiefe aufgedeckt wurden. In den ursprünglich als Brunnen genutzten Schächten befanden sich Teilskelette von Pferden und Hunden, aber auch menschliche Überreste.

Reste der mittelalterlichen, der sogenannten Inneren Stadtmauer wurden während des Bauprojekts an verschiedenen Stellen freigelegt. Sie befand sich auf der dem Münsterhügel zugewandten Strassenseite unter dem Trottoir bzw. unter den heutigen Hausfassaden. In einem an die Stadtmauer angebauten Latrinenturm wurde ein sensationeller Fund entdeckt: das Skelett eines Berberaffen, der im Mittelalter als Haustier gehalten worden war. Verheilte Knochenbrüche und Spuren von Entzündungen zeugen von einer wenig artgerechten Tierhaltung.

Mehrere Fragmente von Grabsteinen stammen vom Friedhof der ersten jüdischen Gemeinde, der sich einst beim Petersplatz befand. Anlässlich der antijüdischen Verfolgungen im Zuge der Pest-Pandemie von 1348/49 wurde die Gemeinde vernichtet und vertrieben. Der Friedhof wurde verwüstet und die Grabsteine als Abdeckplatten für die Kontermauer (Stützmauer des Stadtgrabens) wiederverwendet. Nach der Aufgabe des Stadtgrabens wurden sie um 1815 am St. Alban-Graben in Sickerschächten verbaut, wo sie nun während der Bauarbeiten entdeckt wurden.

In unserer Coverstory erfahren Sie mehr über die Ergebnisse der Ausgrabung.

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Der Ausgrabungsleiter Martin Allemann erzählt von den Herausforderungen einer Grabung unter Tage. Und berichtet von den spannendsten Funden und Befunden, die bei den baubegleitenden Untersuchungen beim St. Alban-Graben zum Vorschein kamen.

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Die Innere Stadtmauer war bis weit ins 19. Jahrhundert hinein direkt im Stadtbild präsent und ist es indirekt noch heute über ihr folgende Strassenfluchten und Strassennamen. So erinnern der St. Alban-Graben, der Leonhardsgraben und der Petersgraben an die hier ursprünglich verlaufenden Stadtgräben. Die Innere Stadtmauer war einst 10 bis 13 m hoch. Die letzten Reste dieser Stadtmauer befinden sich noch heute auf der dem Münsterhügel zugewandten Strassenseite unter dem Trottoir bzw. unter den heutigen Hausfassaden und wurden während des Bauprojekts stellenweise freigelegt. Foto: ABBS, Philippe Saurbeck.
Wie viele mittelalterliche Städte wuchs auch Basel in Etappen ringförmig um einen alten Kern und besass mehrere mittelalterliche Stadtbefestigungen. Beim St. Alban-Graben verliefen einst die ältesten zwei Stadtmauern. Erhalten hat sich aber weitgehend nur noch die zwischen 1200 und 1250 errichtete Innere Stadtmauer. Foto: ABBS, Martin Allemann.
Die Innere Stadtmauer wies nebst Stadttoren auch etliche Türme auf, von denen einige erst nachträglich hinzugefügt worden sind. Dies gilt wohl auch für einen viereckigen Turm, dessen Reste auf der Höhe des Credit Suisse Gebäudes dokumentiert werden konnten und der einst als Latrine gedient hat. Foto: ABBS, Philippe Saurbeck.
Beim Eingang zur Rittergasse befand sich einst der St. Alban-Schwibbogen, ein Torturm der Inneren Stadtmauer. Blick auf den St. Alban-Schwibbogen mit dem «Deutschen Haus» von der St. Alban-Vorstadt aus gesehen. Aquarell von J. J. Schneider (wohl nach J. J. Neustück), 1800–1850. Bild: StABS Bild Schn. 54.
Der St. Alban-Graben wurde ab 1784 verfüllt. Im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts entfernte man dann die aufgehende Stadtmauer oder integrierte sie in neue Gebäude. Die Tore brach man ab – 1841 den Aeschenschwibbogen, 1878 den St. Alban-Schwibbogen. Blick in die Rittergasse von der St. Alban-Vorstadt aus gesehen nach dem Abbruch des St. Alban-Schwibbogens. Foto: StABS Bild 2, 115.
Der Fund eines Affenskeletts in einem an die Innere Stadtmauer angebauten mittelalterlichen Latrinenturm war ein Highlight. Archäologische Nachweise von Affen vor 1500 sind in Europa sehr selten, und meist handelt es sich dabei nur um Einzelknochen. Der Latrinenturm war so eng, dass er Eimer um Eimer von Hand geleert werden musste. Foto: ABBS, Philippe Saurbeck.
Unbeaufsichtigte Affen, die als Haustiere gehalten wurden, konnten grosse Schäden anrichten. Deshalb waren sie oft angeleint oder trugen, wie auf dieser Tapisserie (Wandteppich) dargestellt, eine Kette mit einem Gewicht, das ihre Bewegungsfreiheit einschränkte. Auflagerungen und Verfärbungen am Skelett liefern Indizien, dass auch der Basler Affe entsprechend angeleint war. Foto: RMN-Grand Palais (musée de Cluny – musée national du Moyen Âge, Michel Urtado).
Das Skelett des Affen ist fast vollständig erhalten. Fehlende Teile, wie einige Fingerknochen und einzelne Rippen, haben sich im Boden zersetzt oder wurden bei der Ausgrabung nicht geborgen. Der Kadaver war daher vollständig, als man ihn in der Latrine entsorgte. Anhand des Skeletts können viele Aussagen zum Affen und seinem Gesundheitszustand gemacht werden. Beispielsweise zeigen die Eckzähne, dass es sich um ein männliches Tier handelt, und die Gelenkflächen, dass der Affe bei seinem Tod 6–8 Jahre alt war. Auch Krankheiten oder Verletzungen, wie etwa ein verheilter Rippenbruch und ein verheilter Trümmerbruch am Oberkiefer sind feststellbar. Foto: ABBS, Philippe Saurbeck.
Latrinen wurden nicht nur als Toilette benutzt, sondern man entsorgte darin auch Abfall. Im Latrinenturm am St. Alban-Graben fand man nebst dem Kadaver des Affen auch Küchengeschirr, zerbrochene Gläser, Ofenkacheln und Speisereste. Sechs ganze Töpfe haben den 10 Meter tiefen Fall in die Latrine dank weicher Landung sogar unbeschadet überstanden. Sie wurden wohl bei einem Umbau der Liegenschaft oder beim Wegzug der Besitzer in der Latrine entsorgt. Die Keramik und die Ofenkacheln, welche über dem Skelett lagen, erlauben es, den Todeszeitpunkt des Affen zwischen 1350 und 1450 zu bestimmen. Foto: ABBS, Philippe Saurbeck.
Die am St. Alban-Graben geborgenen Grabsteine stammen vom Friedhof der ersten jüdischen Gemeinde, der sich einst beim Petersplatz befand. Weil man den Juden die Schuld an der Pest-Pandemie von 1348/49 zuschob, wurde die Gemeinde vernichtet und vertrieben, der Friedhof verwüstet und die Grabsteine als Abdeckplatten für die Kontermauer (Stützmauer des Stadtgrabens) zweckentfremdet. Nach der Aufgabe des Stadtgrabens im 19. Jahrhundert verbaute man die Grabsteine in Drittverwendung in Sickerschächten. Einzig auf dem abgebildeten Grabstein lässt sich ein Name entziffern: Hannah. Sie hat vor über 700 Jahren in Basel gelebt. Foto: ABBS, Philippe Saurbeck.
Die in der aktuellen Grabung aufgedeckten zehn Grabsteinfragmente aus Sandstein waren Teil von zwei zwischen 1815 und 1820 errichteten Sickerschächten am St. Alban-Graben. Um ein stabiles Gewölbe zu erhalten, hatte man darauf geachtet, darin qualitativ gute und masshaltige Steine – wie es die Grabsteine sind – zu verbauen. Foto: ABBS, Martin Allemann.
Die Grabsteinfragmente wurden im Steinlager der Archäologischen Bodenforschung gereinigt und entziffert. Insgesamt wurden in der ganzen Stadt Basel seit Ende des 19. Jahrhunderts bei Bauarbeiten und Grabungen rund 50 jüdische Grabsteine aus dem Mittelalter entdeckt. Foto: ABBS, Martin Allemann.

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